Kurzer Einstieg in die Kollektive Selbstverständigung

Soziale Selbstverständigung, nämlich der Versuch im Gespräch Klarheit über eigene Lebensproblematiken zu gewinnen, praktizieren wir in unserem Alltag immer wieder. In der Kollektiven Selbstverständigung (KSV) wird dafür ein intersubjektiver Verständigungsrahmen gemeinsam hergestellt, das heißt wir reflektieren unsere Lebensproblematiken und streben an, Klarheit über die je eigenen Handlungsgründe zu erlangen. Es können dafür vielfältige unterstützende Methoden herangezogen werden. Die Besonderheit der KSV liegt darin, dass in dem Versuch die Problematiken zu verstehen, die Grundbegriffe der → Kritischen Psychologie als gemeinsame Grundlage zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu Alltagstheorien und -begriffen sind dadurch auch erkenntnis-, gesellschaftstheoretische und kategoriale Ebene explizit und hinterfragbar.

Die gemeinsame Reflexion geschieht vom Subjektstandpunkt aus, d.h. nur je ich kann letztendlich wissen, was meine Handlungsgründe sind. Die gesellschaftliche Vermitteltheit der Gründe kann in dem Versprachlichungsprozess, in dem wir verschiedene Perspektiven zueinander in Beziehung setzen, für mich und andere greifbar werden. Eine Dezentrierung des Problems findet statt. Das bedeutet, dass die individuelle Problematik in den Kontext struktureller Zusammenhänge gestellt und damit entpersonalisiert wird. Phänomene wie Isolation, Konkurrenz, Ideologie, Zwang zur Anpassung, Abwehr oder wechselseitige Instrumentalisierung können erkannt werden als restriktive Momente des individuellen Versuchs Handlungsfähigkeit innerhalb exklusionslogischer Strukturen zu erlangen. Mit der Perspektive verallgemeinerter Handlungsfähigkeit, d.h. einem Handeln, welches nicht auf Kosten anderer geht, sondern strukturelle Gemeinschaftlichkeit stiftet, suchen wir nach alternativen Handlungsmöglichkeiten, um gegebene Verhältnisse zu überwinden.

Maxi Trojosky

Zum Weiterlesen: Meretz, Stefan (2016). Kollektive Selbstverständigung.